Die Vision | Die Alte tanzt

Die Vision | Die Alte tanzt

Die 7 Tore sind durchschritten! Ein neues Zeitalter ist angebrochen: deine neue Körperlichkeit stabilisiert sich. Dein Selbstwertgefühl schöpft seine Kraft zunehmend von innen. Du bist mutiger geworden, du hast nicht mehr so viel zu verlieren. Deine Fruchtbarkeit, deine jugendliche Schönheit, deine unbegrenzte Leistungsfähigkeit, alles dahin! Das Leben erscheint dir kostbarer denn je, denn dein Körper wird schwächer, aber dein Fühlen und dein Geist sind stark. Deine Gemeinschaft braucht dich jetzt: deine Klarheit, deine Liebe, deine Fürsorge, wenn notwendig, deine Autorität und deine Magie! Misch dich ein. Tanz dein Leben in jedem Moment!

Mirijam (62)

Mir geht es gut, körperlich, seelisch, beruflich. Endgültige Trennung von meinem heimlichen Geliebten Georg – und die neue Erfahrung, wieder zu zweit in unserer Ehe zu sein, wie ganz am Anfang unserer Beziehung. Es ist so ganz anders geworden, respektvoller, bewusster, liebevoller. Unsere Tochter Rena ist ausgeflogen, seit einiger Zeit schon. Der Trennungsschmerz ist sanfter geworden. Manchmal sehne ich mich danach zurück, als sie klein und wir alle noch so jung waren. Aber das geht schnell vorüber. Zu deutlich sind mir noch all die Kämpfe, Entbehrungen und Überforderungen dieser Familienzeit in Erinnerung. Ich möchte nicht wirklich wieder jung sein. Rena geht ganz auf in ihrer Ausbildung, ihren neuen Unternehmungen und in den Gefühlen einer erwachsenen, eigenständigen jungen Frau, sie blickt nicht zurück, wozu auch?
Ich, die ältere Frau, alt bin ich einfach noch nicht wirklich, begegne immer öfter den Alltagswirren mit Gelassenheit. Das ist so herrlich erleichternd und oft auch ziemlich lustig.
Ich kann sogar manchmal dabei zuschauen, wie etwas an die Wand fährt, ohne mich einzumischen!
Das sage ich mir oft: gib keine ungefragten Ratschläge, „der Rat der weisen Frau ist nicht wohlfeil“.
Ich engagiere mich nur da, wo es Wert hat, wo es wirksam ist, wo ich aus Erfahrung weiß, dass es realistisch ist, erfolgreich zu sein mit den Kräften, über die ich verfüge.
Ich reibe mich nicht mehr so an Ungerechtigkeiten auf, selbst wenn sie mich sehr traurig machen. Ich respektiere endlich und immer mehr die Grenzen meiner Möglichkeiten. Ich gebe mir selbst viel Mitgefühl, wenn etwas nicht klappt oder schmerzt.
Ich akzeptiere die mehrheitlich gefällten Entscheidungen in meiner Stadt, an meinem Arbeitsplatz und mache keine Alleingänge, die mir nur schaden. Für so etwas verschleudere ich meine Kraft nicht mehr. ich suche nach klugene Wegen und spreche mit den jungen Leuten, wann immer sie offen dafür sind. Meine Erfahrung ist, dass sie dann zuhören und manchmal sehe ich eine Veränderung. Darüber freue ich mich ganz still in mir.
Ich pflege: meinen Enkel, junge Frauen und Männer, die sich entwickeln wollen, meine echten Freundschaften, meine Projekte, meine Pflanzen, meine Katze, mich.
Ich öffne mich immer und immer wieder für neue Menschen und neue Erfahrungen, auch wenn´s schwer fällt. Offensein heißt Lebendigsein – und das bin ich.
Es passt zu einer alten Frau, dass sie nicht mehr mittendrin mitmischt, sondern sich an den Rand stellt und schaut – und gefragt: ihren Rat gibt. Wenn nicht, dann kümmert sie sich um ihre eigenen Angelegenheiten.

Lara (59)

Deenhoge – uraltes, unter der Erde begehbares Steingrab (Wennigstedt auf Sylt)

Gebückt sitzen unter aufgestellten Felsbrocken im Ganggrab Deenhoge. In Trance schon seit Stunden. Vorbereitung auf die letzte Vision zur Wintersonnenwende für diese sturmumtoste Insel, das bedeutendste Ereignis in unserem Stammesleben.
Undurchdringlichen Dunkelheit, Steine und Erdmassen berühren unsere Köpfe, die Luft feuchtwarm vom Atem der dreißig Menschen, die sich in der engen Höhle zusammen kauern. Dazu in den Nischen die Knochen und Schädel unserer Verstorbenen, die gerade zu neuem Leben zu erwachen scheinen.
Mit allen Sinnen wahrnehmen: die Stille, das keuchende Luftholen, Husten, Schnarchen, der Geruch nach nasser Wolle und Schweiß, der Milchduft der Säuglinge, der Hunger, der in ihren Eingeweiden haust, ihre Angst und Verlorenheit, ihre Sehnsucht. Draußen heult Sturm, das allgegenwärtige Meeresrauschen. Meine Wölfin legt ihre Schnauze auf meinen Oberschenkel, ich spüre ihre nasse Wärme.
Helferinnen sitzen eng an mich gepresst. Sie halten mich aufrecht. Auserwählte Männer und Frauzen, die schon bald meinen Platz im Ältestenrat übernehmen werden. Denn ich bin alt, meine Brüste leer, der Körper ausgemergelt und alle Gelenke schmerzen ohne Unterlass. Meine Haare sind weiß und dünn wie Spinnenweben.
Aber davon merke ich jetzt nichts: mein Geist fliegt hoch, er umkreist die Insel an den Schaumgrenzen zum Meer und schon nähert sich das Licht schnell von Osten her.
Aufscheinende Linien, Leuchtpunkte im Netz der Kraft, das die Erde überzieht, dieses lebendige Wesen, mächtig, nährend, tötend, verborgen, gefährlich, Leben und Tod bringend wie Ebbe und Flut. Licht durchpulst mich, ich reite auf Wellen und Wind, Hinter mir liegen die Hügel und Täler meines Lebens, lustvolle Gipfelflüge, Geburten und Tod , Besuche an den magischen Orten des Westens, viele schützenden Wesen, viele Taten und wenige Worte. Die Essenz vieler Leben, die mich rauschhaft erfüllt, die Verwurzelung im sichtbaren und unsichtbaren Wissen meines Stammes zieht mich hinein in einen pulsierenden Rhytmus.
Ich schlug die Trommel unserer Ahninnen, lehrte den alten Gesang, führte nach unserer großen Wanderung die Verhandlungen mit den Stämmen der Insel, als wir wenigen Überlebenden auf dem vereisten Landweg von England rüberkamen und dringend einen Platz zum Leben brauchten. So viele waren umgekommen, nur noch so wenige Kinder in unseren Armen!
Die Verhandlungen waren schwierig, eigentlich unmöglich zu bleiebn. Aber immer noch besser als die Gewalt der neuen Eisenwaffen, denn danach musste wieder gelebt werden. Ich schlichtete den Streit der Holzköpfe und hielt die jungen Männer im Zaum. Ich verhandelte um Land und bot Heilung und Trost für ihre Kranken und Sterbenden, denn dafür hatten sie niemanden mehr.
Ich lehrte die jungen Frauen, starke Mütter zu werden und die Visionärinnen bilde ich zu Heilerinnen aus. Ich suchte die Starken, erkannte sie und lehrte sie Disziplin, ihrer Gemeinschaft voran zu gehen.
Das junge Licht der Wintersonnenwende naht, wir erheben uns und singen die alten Lieder. Ich ehre die Götter und Ahninnen mit dem Rauchopfer und halte die steigende Energie. Die kleine Gemeinschaft bereitet sich vor auf den Moment des Wandels.
Ich spreche Mut zu, berichte, was mein fliegender Geist gesehen hat. Die Wölfin begleitet meine Worte mit ihrem Gesang, die Menschen staunen. Ich sehe diese Welt und diese Insel voller Menschen, wir müssen uns keine Sorge um unseren Fortbestand machen! Ich sage, es wird Nahrung in Hülle und Fülle geben, vielleicht nicht mehr für uns aber für die, die nach uns kommen.
Ich fühle Wärme und heilendes Licht.
Meine Kraftwesen umringen mich, ich kann die Lebenden nicht mehr von den Toten unterscheiden. Ahnen aus dem gesunkenen Land. Die mächtigen Heiligtümer, in denen ich groß geworden war, alle überflutet, das Wissen nur noch in meinem Kopf.
Den Bau dieses Gangrabs habe ich rein aus meiner Erinnerung an unser früheres Leben geplant und geleitet. Ohne diesen Ort hätten wir nicht überlebt. Denn auf der Insel leben wir geduckt unter Winterstürmen, ertragen das rasende Meer, das Brüllen und Tosen der steigenden Fluten, die sich immer mehr ins Land fressen.
Der erste Lichtstrahl fällt auf den heilige Spiegelstein im Inneren des Steingrabs, wir singen in der alten Sprache. Langsam erhellt sich der Raum, die erschöpften Gesichter werden sichtbar. Jubelrufe, Lachen, Schluchzen, Hoffnung – und dann, endlich, steigen wir nach oben und feiern das Fest der Neugeburt des Lichts.

Anne, 55 Jahre

Ich bin eine würdige, weise Alte, wenn ich …

… weiterhin Lebensfreude spüren kann
… mich als wichtiger Teil meiner Familie und der Gesellschaft spüren kann
… meinen Körper spüre, ihm vertraue und mich im Rahmen meiner Möglichkeiten bewege
… mich geistig fordere, neugierig bleibe und trotz aller Gelassenheit Anteil am Leben anderer nehme.
… nehmen kann was ist.
… friedlich und entspannt auf mich und andere schaue.
… mich nicht verbiegen muss.
… mich nicht mehr wehren muss und wenn doch, mich zu wehren weiß.
… frei bin.

Angela, 61

Die Wissende

Sie isst sich selbst als schwarzen Fötus
Ihre Facettenaugen öffnen sich weit und sehen die Schichten der Welt
Sie weint und trauert, tröstet und lindert, singt, tanzt und lacht
Sie reitet auf einem weißen Pferd nach Westen
In der Schwitzhütte berät sie sich mit ihren Ahninnen
Sie kehrt mit einer Botschaft zurück, gestaltet und heilt
Zeigt den Kindern Wege und Brücken
Bewegt sich in Netzen
Verwebt Schatten und Licht
Sie liegt auf den Wellen mit ausgebreiteten Armen, treibt über die Meere, leuchtend und sanft in das Reich der Anderswelt.

Elisabeth

Ich

Als würdige Alte
Bin FREI
Mich selbst
Durch NIEMAND und NICHTS unter Druck zu setzen,
auch nicht unter Zeitdruck.
Darum schreibe ich meine weiteren Gedanken jetzt nicht auf,
Und erfreue mich meines Daseins
Im Kreis mit Euch wundervollen, würdigen Alten!

Aphrofrike

Meine würdige Alte ist voll von Güte, Weisheit und Verständnis. Sie ruht in ihrer Mitte in Selbstzufriedenheit und inneren Frieden.