7. Tor Das große Fest

7. Tor Das große Fest

Feiere das Ende deiner Wechseljahre mit einem großen Fest, denn du blutest nicht mehr. Würdige zusammen mit anderen Frauen eure gelebte Frauengeschichte. Nimm als frisch gebackene alte Frau Geschenke entgegen und wende dich voller Tatendrang deinen neuen Aufgaben zu.

Anne (55)

Mein Fest des Übergangs zur tanzenden Alte

Die Einladung für das Fest auf einem kleinen Hof außerhalb der Stadt wird mir durch Marie vermittelt, sie wird auch dabei sein. Sieben Frauen wagen bewusst den Schritt in ihre nächste Lebensphase – die weise Alte – . Ich bin ängstlich und begeistert zugleich. Habe ich mir doch vor fünf Jahren ein solches Fest gewünscht – und nun werde ich dazu eingeladen! Ich erfülle die Voraussetzungen: meine Periode ist schon über ein Jahr ausgeblieben. Allerdings fühle ich mich noch überhaupt nicht wie weise und schon gar nicht alt! Ich lasse das auf mich zukommen. Lara wird mit den „Alten“ alles vorbereiten und Veronika wird meine junge Begleiterin sein. Das entspannt mich: meine liebsten Freundinnen werden mich begleiten!
Die Tage vorher sind nicht einfach auszuhalten: Gallenschmerzen, Trauer, hektische Arbeitssituationen. Unerfüllte Wünsche und aufkochende Wut, Opfergefühle brodeln in mir. Ich bekomme Alchemilla mit dem Hinweis, meine Ziele zu formulieren und Grenzen anzuerkennen. Das hilft mir dabei, auf einer DinA4 Seite (!) das Wichtigste aus meinem Leben aufzuschreiben. Später wird mein Text zusammen mit den Geschichten der anderen Frauen vorgelesen werden.
Als wird das alte Bauernhaus betreten, erwarten uns bereits dunkel gekleidete, ältere Frauen. Meine persönliche Begleiterin wird mir vorgestellt. Sie nimmt mir meine Sachen ab und zeigt mir den Raum zum Umziehen: ich trage ein weinrotes Kleid. Köstliches Essen steht schon für die Feier bereit, die übrigen Frauen treffen ein.
In einem lichtdurchfluteten Raum sitzen wir sieben Initiantinnen in einem Kreis, die Gäste hinter uns im Außenkreis. Warmes Licht und leises Lachen vermitteln Geborgenheit und nehmen mir meine Befangenheit. Unserer Begleiterinnen lesen unsere vorbereiteten Lebensgeschichten vor und dann waschen sie uns die Füße! Die sieben Lebensgeschichten berühren mich zu Tränen, so viel Leiden, Glück und immer wieder diese Kämpfe! Diese Durchhaltekraft, die Energie und der Mut, immer wieder aufzustehen und weiter zu gehen, hinterlässt einen tiefen Eindruck in mir. Es sind ganz normale, aber eben auch besondere Frauen, die sich hier zusammen gefunden haben, um diesen Schritt ins Unbekannte gemeinsam zu gehen.
Meine Lebensgeschichte wird von Veronika vorgelesen. Beim Zuhören durchlebe ich Verlegenheit, Scham, bis hin zu Schuldgefühlen über die ungeteilte Ausmerksamkeit im Raum für meine Person. Endlich auch – Stolz und Freude: ja, so war mein Leben!
Jede wird aufgefordert, ein Symbol für ihr bis jetzt gelebtes Leben zu opfern. Ich packe meinen getöpferten Drachen aus, er stammt aus meiner Schulzeit, ein Bein abgebrochen, das Maul weit aufgreissen, in Rot- und Blautönen, voller glücksbringender Spiralen. Ich mag ihn sehr. Und jetzt gebe ich ihn her – Abschied, Weggeben, Loslassen!
Dann bin ich an der Reihe, mich in die Mitte zu legen. Alle tönen meinen Namen. Ich gehe durch ein inneres Tor aus purem Klang. Es bewegt sich, schwingt, streckt sich, wird höher und höher. Ich gleite in einem silbernen Boot durch in ein tiefblaues Universum voller blinkender Sterne und wirbelnder Monde. Ich fließe staunend immer weiter. Die Torbögen, weiß wie gebleichte Knochen, die sich hinter mir in Staub auflösen. Meine Transformation vollzieht sich in einem schwingenden leuchtenden Rhythmus.
In ein weißes Tuch gehüllt, erscheine ich geschlechtslos, durchscheinend. Die Verpuppung schreitet voran. Wir sind sieben weiße, namenlose Gestalten, treten einzeln über eine Schwelle und werden begrüßt von den anderen Alten. Das weiße Tuch wird abgelegt, wir ziehen uns um. Das Schwarz hebt die Verletzlichkeit aber auch die Stärke der eigenwilligen Frauengesichter hervor. Neugeboren, eine Erleichterung, wir stoßen an mit purpurnem Holundersaft. Anna hat Gürtel mit unseren neuen Namen gestickt und schenkt uns Ringelblumensamen, die wir einsäen werden für die nachfolgende Generation!
Feiern, essen, trinken, tanzen und viele Umarmungen zum Abschied. Welch ein Geschenk! Wir versprechen einander, uns in einem Jahr wiederzusehen und uns über unsere Erfahrungen auszutauschen.